Wettbewerb Kinderhaus Matthäus, Bern

Bestand und über­ge­ord­ne­te Stra­te­gie

Die Anla­ge der Mat­thä­us­kir­che bil­det ein intak­tes und stim­mungs­vol­les Ensem­ble im Ross­feld­quar­tier. Der Kir­chen­in­nen­raum gehört laut Inven­tar­blatt der Denk­mal­pfle­ge der Stadt Bern gar zu den «qua­li­täts­voll­sten Kir­chen­räu­me der sech­zi­ger Jah­re im Kan­ton Bern». Ent­spre­chend vor­sich­tig sind Ein­grif­fe anzu­ge­hen. Unser Vor­schlag arbei­tet wo immer mög­lich mit dem Vor­han­de­nen und macht nur dort Anpas­sun­gen, wo sie auf­grund neu­er Nut­zun­gen, Bedürf­nis­se oder Nor­men unum­gäng­lich sind. Bei­spiels­wei­se blei­ben sämt­li­che Fas­sa­den der Anla­ge in ihrer Erschei­nung nahe­zu unver­än­dert. Auch der Kir­chen­raum sowie Saal und Büh­ne im Kirch­ge­mein­de­haus wer­den im Pro­jekt bei­na­he unbe­rührt und inte­gral erhal­ten.

Nut­zungs­kon­zept und Archi­tek­tur

Der augen­fäl­lig­ste Ein­griff betrifft das Erd­ge­schoss des Kirch­ge­mein­de­hau­ses. Der heu­te unter dem Gebäu­de­vo­lu­men des Ober­ge­schos­ses etwas gedrängt wir­ken­de und stark beschat­te­te Ein­gangs­be­reich wird neu mit Nut­zung auf­ge­füllt. Die archi­tek­to­ni­sche Grund­idee wird dabei jedoch bei­be­hal­ten. Die neu­en Ver­gla­sun­gen über­neh­men die bestehen­den Fas­sa­den­fluch­ten und las­sen das Ober­ge­schoss nach wie vor schwe­bend erschei­nen. Auch sind hier mit Mit­tags­tisch und Mehr­zweck­raum die Nut­zun­gen so gewählt, dass das neue Gebäu­de­vo­lu­men frei von Ein­bau­ten sein kann und damit maxi­mal trans­pa­rent ist. So blei­ben die gewohn­ten Sicht­be­zü­ge vom Platz über die Hang­kan­te hin­weg tal­wärts wei­ter­hin erleb­bar. Indes­sen unge­wohnt aber wert­voll sind die neu­en Syn­er­gien mit dem Kir­chen­vor­platz. Räum­lich und auf Ebe­ne der Nut­zung ent­ste­hen hier zahl­rei­che neue Mög­lich­kei­ten der Bespiel­bar­keit.

Im Bauch des Gebäu­des fin­den die Basis­stu­fe und drei Ein­hei­ten der Tages­schu­le Platz. Aus­sen­raum und Grün­flä­chen sind die­sen Berei­chen direkt vor­ge­la­gert und so unmit­tel­bar zugäng­lich. Zwecks einer opti­ma­len Tages­licht­aus­nut­zung wer­den in allen, an der Längs­fas­sa­de lie­gen­den Räu­men die Brü­stun­gen abge­bro­chen und die alten Fen­ster durch neue raum­ho­he ersetzt. Wei­ter fin­den sich im rück­wär­ti­gen Bereich des Unter­ge­schos­ses die wich­tig­sten Betriebs­räu­me zusam­men­ge­fasst.

Im Ober­ge­schoss wer­den Saal und Büh­nen­be­reich neu als Bewe­gungs- und Gestal­tungs­raum genutzt. Der Bewe­gungs­raum kann mit­tels Vor­hän­gen par­ti­ell oder ganz vom Zir­ku­la­ti­ons­be­reich und der Büh­ne abge­trennt wer­den. Auf die­se Art bleibt der Saal trotz den Nut­zungs­än­de­run­gen auch in sei­ner ange­stamm­ten Funk­ti­on brauch­bar. Der Gestal­tungs­be­reich teilt sich auf drei Räu­me auf: Die Büh­ne und die bei­den Büh­nen­ne­ben­räu­me. Tages­licht bezie­hen die­se Räu­me über die bestehen­de «Later­ne», respek­ti­ve über eine Serie neu­er Oblich­ter. Ein zusätz­li­cher Aus­sen­be­zug mit einem «fênet­re en longueur» an der Büh­nen­rück­wand ist im Pro­jekt nicht dar­ge­stellt, wäre aber wenn gewünscht in Abspra­che mit der Denk­mal­pfle­ge allen­falls rea­li­sier­bar. Eben­falls im Ober­ge­schoss sind zudem die «Baby­grup­pe» und das Team unter­ge­bracht. Der innen­lie­gen­de Auf­ent­halts­raum kann poly­va­lent von bei­den Berei­chen benutzt wer­den. Zwei wei­te­re Kita­grup­pen fin­den im ehe­ma­li­gen Pfarr­haus Platz.

Kir­che und Biblio­thek

Die Biblio­thek wird im Kir­chen­raum qua­si «unsicht­bar» als Möbel im Rücken der Bän­ke ein­ge­fügt. Das ursprüng­li­che Raum­lay­out wird so nur mar­gi­nal tan­giert, und die bei­den Berei­che durch­mi­schen sich nur wenig. Damit sind unter­schied­li­che Nut­zun­gen zeit­lich gestaf­felt pro­blem­los mög­lich: Got­tes­dien­ste, Kon­zer­te, Biblio­theks­be­trieb oder die in der Nut­zungs­stu­die erwähn­ten Ban­ket­te. Die Bän­ke sind bereits heu­te demon­tier­bar und vor­han­den sind auch Boden­hül­sen zur ein­fa­chen Repo­si­tio­nie­rung. Der Sakri­stei­trakt bie­tet Patz für die Räu­me der Kirch­ge­mein­de. Die WC-Anla­gen sind im Unter­ge­schoss der Kir­che in näch­ster Nähe und zusätz­li­che hin­der­nis­freie IV-WC befin­den sich im Wind­fang des Kirch­ge­mein­de­hau­ses.

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Mat­thä­us­kir­che auf dem Ross­feld in Bern (Pro­jekt­be­ar­bei­tung: A.Egger, W.Peterhans zusam­men mit W.Frey)

Wett­be­werb 1959, 1. Preis – Bau­be­ginn 1962, Fer­tig­stel­lung 1964

Kir­che, Sakri­stei­an­bau, Turm (Aus­sichts­turm), Kirch­ge­mein­de­haus, Woh­nung und Pfarr­haus, Ein­be­zie­hung einer Gal­lo-römi­schen Are­na. Kir­chen­dach als räum­li­ches Fach­werk (System Nero) aus­ge­bil­det.

Jahr: 2018
Wettbewerb: Projektwettbewerb, 2020, 1. Rang
Projektnummer: 276
Arbeitsgemeinschaft: Freiluft Architekten
Bauherrschaft: Stadt Bern